Künstlerhaus Stuttgart
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Soft Logics
Rahel Puffert präsentiert zu Besuch bei Nagel
Im Allgemeinen verpflichtet sich die kunstvermittelnde Arbeit emanzipatorischen Zielen. So will sie zum Beispiel Zugangschancen erhöhen, ausgeschlossene Gruppen einweihen, das Feld jener, die an Kunst teilhaben erweitern und zu eigenwilligen Anwendungen von Kunst ermuntern. Die Bemühungen von Kunst- und MuseumspädagogInnen, aber auch von vielen KünstlerInnen gingen in den letzten Jahrzehnten vor allem dahin, den Kontakt zu “vernachlässigten” Zielgruppen zu suchen und Sprachen sowie Methoden zu entwickeln, die ein Verhältnis zur Kunst zu eröffnen vermögen. Oft sieht man sich dabei vor die Aufgabe gestellt, die offiziellen, legitimen, meist nur Spezialisten vorbehaltenen Sprachregelungen für ein Publikum, das nicht zu den “Insidern” gehört, zu “übersetzen”. Ein Unternehmen mit Sisyphos-Charakter, geht es doch tendenziell darum, jene Barrieren abzubauen, die vom Diskurs immer wieder neu produziert werden, um ein, bestimmten Eliten vorbehaltenes Wissen, zu sichern, welches zur (ökonomischen) Wertbildung der Kunst beiträgt. Tatsächlich muß man immer wieder feststellen, daß die demokratisch verstandene Kunstvermittlung längst nicht von allen Mitspielern im Kunstsystem geteilt wird. Folgendes Zitat mag das belegen:
“Die Funktion der Galeristen kann auch darin gesehen werden, daß ihnen die Aufgabe zukommt, die Künstler von den (teilweise diffusen und widersprüchlichen) Erwartungen dieser diversen Gruppierungen zu entlasten. Die Künstler können sich voll und ganz auf den Kunstentstehungsprozeß konzentrieren und nehmen nur anläßlich einer Vernissage am allgemeinen Leben des Kunstpublikums teil. Vor allem wird der Künstler davon entlastet, ständig Laien gegenüber Deutungen seiner Kunst abgegeben zu müssen. Diese Rolle wird im persönlichen Gespräch vor allem dem Galeristen überlassen, dem entsprechend von allen aufgeführten Gruppen die größte Deutungsmacht über die Kunst zukommt.”*
Angesichts solcher Stellungnahmen scheint mir eine Doppel-Strategie ratsam: Neben der Arbeit an kollektiven, partizipatorischen oder interaktiven Vermittlungsangeboten, halte ich es für ebenso relevant, dem zuwider laufende Auffassungen von Vermittlung zu erforschen beziehungsweise solche Strategien, Orte und Mechanismen zu erforschen, die einer an Offenheit und Transparenz orientierten Arbeit entgegen stehen.
Zusammen mit Michel Chevalier suchte ich 2003 die Berliner Dependance der international renommierten Galerie Nagel am Rosa-Luxemburg-Platz auf. Wir verwickelten die dort tätige Galerieassistentin in ein Gespräch, um mehr über die Hintergründe der dort zu sehenden Ausstellung von Michael Krebber zu erfahren. Was hatte es mit dem Stichwort “PopPolitics” auf der Einladungskarte auf sich? Und in welcher Weise ließen sich die Referenzen auf den russischen Konstruktivismus interpretieren? Wie hingen die höchst spärlich an den Wänden verteilten Objekte (Schallplattencover, Zeitungspapier, CD, Luftpostaufkleber) zusammen? Daß der Künstler jegliche Form von schriftlicher Erläuterung zu seiner Ausstellung ausdrücklich verweigert hatte, war die erste Information, die wir erhielten.... Eine heimliche Aufzeichnung dieses Gesprächs ist in einem Video zu sehen: “Zu Besuch bei Nagel”.
–Rahel Puffert
* Heine von Alemann: Galerien als Gatekeeper des Kunstmarkts. Institutionelle Aspekte der Kunstvermittlung, in: Jürgen Gerhards (Hg.): Soziologie der Kunst, Opladen 1997, 221